Wasserstoff als zentrale Schlüsseltechnologie für den Klimaschutz

 

„Wasserstoff ist eine Schlüsseltechnologie für den Klimaschutz. Es ist aber auch eine Zukunftstechnologie, um Wertschöpfung im Land zu erzielen, um Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und um Arbeitsplätze zu schaffen“, so Ministerpräsident Winfried Kretschmann (2020). Der Fahrplan der Landesregierung Baden-Württemberg, Wasserstoff als zentrale Schlüsseltechnologie für den Klimaschutz zu fördern, ist erstellt. In den nächsten zehn Jahren soll Baden-Württemberg im Bereich der Wasserstofftechnologien zum Spitzenreiter werden. Denn trotz vorhandener Technologien im Bereich der erneuerbaren Energien werden die Klimaziele noch nicht erreicht. Oft greift Deutschland auf fossile Energien wie Kohle oder Erdgas zurück. Außerdem können erneuerbare Energien die stetig wachsende Wirtschaft noch nicht alleine decken. Es ist also nicht nur ein Umbau unserer Energiesysteme notwendig, sondern eine Umstellung auf CO2-freie Technologien.

Was ist Wasserstoff?

Wasserstoff ist ein Energieträger, der direkt oder als Kraftstoff einsetzbar ist. Zudem ist er wie Gas speicherbar sowie transportierbar und ermöglicht somit einfache Sektorenkopplungen. Je nach Erzeugung gibt es grünen, grauen und blauen Wasserstoff. Wenn Wasserstoff durch erneuerbare Energien (Sonne, Wind, Biomasse etc.) erzeugt wurde, also CO2-frei, wird er als grün bezeichnet. Ist CO2 allerdings ein Abfallprodukt bei der Erzeugung, so wird der Wasserstoff als grau bezeichnet. Bei blauem Wasserstoff wird zwar das CO2 abgeschieden und anderweitig genutzt, dennoch werden Schadstoffe ausgestoßen. Außerdem ist die Erzeugung hierfür noch nicht marktfähig. Im Fahrplan der Landesregierung soll deshalb hauptsächlich grüner Wasserstoff produziert werden. Da Baden-Württemberg bereits ein Stromimportland ist, wird das Land in erster Linie auch ein Importland für grünen Wasserstoff werden. Heimischer Wasserstoff soll laut dem Fahrplan auch produziert werden. So bietet die dezentrale Wasserstofferzeugung die Möglichkeit für Abwärmenutzung im Nah- oder Fernwärmenetz. Die direkte Erzeugung von Wärme in Gebäuden wird als eher gering eingestuft, da es mit Wärmepumpen, solarthermischen Systemen, der Geothermie sowie der Biomasse zahlreiche erneuerbare Alternativen gibt.

 Nutzung von Wasserstoff in der Wirtschaft und im Verkehr

Der Fokus der Wasserstoffnutzung in Baden-Württemberg liegt in der Mobilitätsindustrie sowie dem Maschinen- und Anlagenbau. In den Industriebereichen kann der Wasserstoff zur Erzeugung von Prozesswärme eingesetzt werden, beispielsweise bei der Zement-, Glas- und Papierherstellung. Dieser Einsatz zur Erzeugung von Prozesswärme in Industrieanwendungen führt zu einer Umstellung auf eine CO2-neutrale Produktion. Zudem wird der Einsatz als Reduktionsmittel bei der Stahlherstellung relevant werden.  In der Industrie wird aktuell jährlich mit einem Bedarf an grünem Wasserstoff von etwa 1,8 TWh gerechnet.

Zudem ist Wasserstoff in der Mobilitätsindustrie gefragt, wie etwa für den Langstrecken- und Schwerlastverkehr. Entscheidungskriterien hin zu Wasserstofftechnologien sind unter anderem Nutzungsintensität, Reichweitenanforderung und die Effizienz der eingesetzten Antriebstechnologien. Für den Schiffs- und Flugtransport bleibt der synthetische Kraftstoff derzeit die sinnvollste Option laut Fahrplan. Daher soll die Wasserstoff-Brennstoffzelle eher für Züge, Busse und andere große Fahrzeugmassen mit hohen Laufleistungen verwendet werden. Bei einer ambitionierten Marktentwicklung für Pkw-, Lkw-, Zug- und Bus-Brennstoffzellen wird für den Mobilitätssektor in Baden-Württemberg, ein Wasserstoffbedarf im Umfang von etwa 1,7 TWh in 2030 und über 12,9 TWh in 2050 abgeleitet.

Wie wird Wasserstoff zukünftig transportiert?

Wasserstoff wird meistens vor Ort erzeugt und direkt verbraucht. Wenn die Verteilung per Verkehr stattfindet, dann über Druckgas-Lkw-Trailer, die begrenzt Wasserstoff aufnehmen können. Eine weitere Überlegung ist, zum Beliefern von Tankstellen flüssigen Wasserstoff einzusetzen. So könnten über vier Tonnen Wasserstoff transportiert werden, und die Betriebskosten an den Tankstellen würden fallen. Denn Wasserstoff in flüssiger Form hat eine höhere Speicherdichte. Große Mengen sollen bei Strecken von einigen 100 Kilometern mit Pipelines transportiert werden. Aus kostentechnischen und logistischen Gründen könnten bereits bestehende Erdgasleitungen zu Wasserstoffleitungen umgebaut werden. Da zurzeit in Baden-Württemberg eine hohe Nachfrage nach Erdgas besteht, ist im Gespräch, ob die Beimischung von Wasserstoff in Erdgas-Netze effizient wäre. Die Abtrennung von Wasserstoff und Erdgas ist aber sehr aufwendig ist, weshalb diese Option unsicher bleibt. Geplant ist, sich europäischen und nationalen Initiativen zum Aufbau eines europäischen Wasserstoffnetzes anzuschließen. Dadurch wäre eine kostengünstige Versorgung mit global gehandeltem Wasserstoff möglich.

Welche Maßnahmen sind seitens der Landesregierung geplant?

Die Landesregierung Baden-Württemberg hat insgesamt 29 Maßnahmen bestimmt, die sich über unterschiedliche Sektoren hinweg aufteilen. Unter anderem ist geplant, dass Baden-Württemberg Modellregionen fördert, in welchen die neuen Technologien für den Markt erprobt werden, um dadurch mit neuen Geschäftsmodellen möglichst schnell marktfähig zu werden. Zusätzlich soll die kommunale Nutzung von Wasserstoff ausgebaut werden. Förderprogramme könnten hier Quartierslösungen unterstützen, in denen unterschiedliche Sektoren wie Strom, Wärme, Kälte und Mobilität gekoppelt werden. In Maßnahme Nr. 13 wird beschlossen, dass die Plattform H2BW etabliert werden soll. Dadurch sollen Maßnahmen vorangebracht werden, die in der Wasserstoff-Roadmap entwickelt wurden. Die Plattform soll außerdem Akteure bündeln und vernetzen sowie alle Aktivitäten im Bereich Wasserstoff- und Brennstoffzelle aufzeigen, um dadurch möglichst jedes Potenzial auszunutzen. Weiterhin verdeutlicht die Maßnahme Nr. 25 (Sektor: Mobilität), dass Wasserstoffmobilität ein ausreichendes Tankstellennetzwerk erfordert. Baden-Württemberg setzt sich hier für den Ausbau des Netzes für wasserstoffbetriebene Fahrzeuge aller Art ein. Zudem ist die Wasserstoff- und Brennstoffzelle insbesondere für den ÖPNV interessant, da dieser besonders von der europäischen Emissionsgesetzgebung betroffen ist. Das Land plant hier nach einer Analyse des Bedarfs, Kosten und Rahmenbedingungen den Aufbau eines wasserstoffbasierten ÖPNV mit Brennstoffzellen-Bussen.

Insgesamt treibt das Land Baden-Württemberg die klimafreundliche Gebäudesanierung voran, auch hier kann die Wasserstoff- und Brennstofftechnologie ins Spiel kommen. Insbesondere im öffentlichen und industriellen Bereich. Stationäre Brennstoffzellen könnten beispielsweise in Krankenhäusern oder Rechenzentren verwendet werden, um hocheffiziente Kraft-Wärme-gekoppelte Anwendungen zu unterstützen. Abschließend bleibt zu sagen, dass die öffentliche Dachmarke des Landes Baden-Württemberg „Wasserstoff BW“ heißen soll: Sie soll vereinen, vermarkten und veranschaulichen, was das Land bereits anbieten kann.

Was passiert im Landkreis Reutlingen?

Wasserstoff wird aktuell als nachhaltiger Energieträger im Landkreis Reutlingen im Rahmen des vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) geförderten HyStarter Projekts untersucht.  Aus diesem Grund wird mit verschiedenen Akteuren aus Industrie, Forschung, Verwaltung und Privatunternehmen eine nachhaltige Wasserstoffwirtschaft in der Region mit Erzeugung, Verteilung und Nutzung des Wasserstoffes vor Ort untersucht um sukzessive aufgebaut und etabliert zu werden. Eine regionale Wasserstoffgewinnung aus erneuerbaren Energien kann nach auslaufender EEG-Förderung Windenergie- und Photovoltaikanlagen eine Perspektive bieten. Eine weitere dezentrale Erzeugungsoption in unserer zum Teil von der Landwirtschaft geprägten Region ist die Wasserstoffherstellung mittels Dampfreformierung aus Biogasanlagen. So gibt es auch Industrieunternehmen aus der Region mit permanenten Wasserstoffbedarf, welche wiederum Abnehmer regional erzeugten grünen Wasserstoffs sein könnten. Gleichzeitig können sie mit Wasserstoff und Brennstoffzellentechnologien die dezentrale Energiewende unterstützen. Mit dem Landkreis im Project-Lead wird zudem untersucht wie wir eine klimafreundliche Mobilität stärken können. Dies soll insbesondere durch den Betrieb von wasserstoffbasierten Bussen, Nutzfahrzeugen und Zügen realisiert werden.

Das BMVI unterstützt neun Regionen in Deutschland bei der Entwicklung eines Wasserstoffkonzepts und der Herausbildung eines Akteursnetzwerks vor Ort, und unser Landkreis Reutlingen ist eine dieser Regionen. Im Rahmen des HyStarter-Projekts möchte der Landkreis somit Erzeugungs- und Anwendungsmöglichkeiten von Wasserstoff in unserer Region evaluieren und konkretisieren und dadurch den Klimaschutz und die regionale Wertschöpfung stärken und zur nachhaltigen Verkehrswende beitragen. Zudem versucht die Klimaschutzagentur weitere mögliche Anwendungsfelder von Wasserstoff in der Region zu finden. Ein maßgeblicher Pfad hierbei sind Anwendungen im Wärmesektor, so z.B. durch den Betrieb von Brennstoffzellen zur Produktion von Strom und gleichzeitig Heizwärme. Generell erhoffen wir uns umsetzungsfähige Projekte, die die Energie- und Verkehrswende vorantreiben, den Wirtschaftsstandort Landkreis Reutlingen zukunftsfähig ausrichten und zugleich unsere Region im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu stärken und einen Beitrag zu unseren Klimazielen leisten.

»Die Förderung als Wasserstoffregion/HyStarter/HyExpert/HyPerformer wird im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert. Die Förderrichtlinie wird von der NOW GmbH koordiniert und durch den Projektträger Jülich (PtJ) umgesetzt.«

 
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